Die Performerin Sabeth Dannenberg

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Wenn Sabeth Dannenberg vom Chinesischen Mast erzählt, leuchten ihre Augen. Schon als Kind war sie fasziniert von akrobatischen Kunststücken in schwindelerregender Höhe und hat mit ihren Eltern Chinesische Zirkusse besucht. Der Kindheitstraum vom Bühnenleben wurde nach einem „Physical Theatre“-Studium an der Folkwang Universität der Künste in Essen Realität. Sie verbindet in ihren Performances Theater und Akrobatik und setzt innere Bilder in tänzerische Bewegungen um.

Sabeth Danneberg ist viel unterwegs und hat auf dem Weg zu ihren Auftritten immer eine Menge Gepäck dabei. In mehreren Koffern und Taschen verstaut sie Karabiner, Seile, Werkzeug und ihren Mast. Dieser kann zwar auseinandergeschraubt werden, aber auch die Teilstücke sind schon zwei Meter lang. Die Sonderanfertigung begleitet sie schon seit vielen Jahren und bekommt langsam den perfekten Grip.

Auch ihre Requisiten und Kostüme hat sie in einem großen Rucksack dabei. Wenn sie sich am Mast bewegt, muss sie immer mindestens zwei Lagen Kleidung tragen, um sich zu schützen. Bei den akrobatischen Kunststücken, dem Hochklettern und dem schnellen Herunterrutschen, würde die Haut sonst verbrennen. Auch die Füße müssen geschützt werden. Sie trägt Schuhe aus dem Kampfsport, schleift die Sohle ab und bearbeitet den Schuh wie eine Balletttänzerin, bis er perfekt sitzt und ihr einen sicheren Halt gibt.

Sabeth Dannenberg ist nicht nur eine Akrobatin am Chinesischen Mast, die mit scheinbarer Leichtigkeit körperliche Extremsituationen auf die Bühne bringt. Sie entwickelt ihre Stücke eigenständig aus politischen und gesellschaftlichen Themen und recherchiert intensiv zu aktuellen Fragestellungen. Mit dem „Auf geht’s“-Stipendium des Landes realisiert sie momentan das Stück „Blut schwitzen“, das sich mit dem Tabuthema Menstruation auseinandersetzt.

Mein Körper ist mein Material auf der Bühne. Wenn mein Körper aber blutet, ist das ein anderer Modus, in dem ich auf der Bühne bin.
Sabeth Dannenberg

Diese Extremsituation macht sie zum Thema. Warum muss der Körper auf der Bühne immer funktionieren und warum ist es ein gesellschaftliches Tabu, darüber zu sprechen? „Menstruationsblut darf nicht sichtbar sein“, sagt Dannenberg, meint damit blaue Flüssigkeiten in Werbeclips für Hygieneprodukte.

Mit ihrer Themenauswahl trifft sie einen Nerv. Seit kurzem wird die Debatte über den Umgang (bzw. Nicht-Umgang) mit Periodenblut immer größer. Als pinke Plastikhandschuhe für den Umgang mit Hygieneartikelin in einer deutschen Fernsehshow vorgestellt wurden, brach ein enormer Shitstorm aus. International wird eine Debatte über kostenlose Hygieneartikel geführt, Menstruationstassen können mittlerweile in jedem Drogeriemarkt gekauft werden und erste Vorreiterinnen berichten vom erfolgreichen sogenannten „Free Bleeding“.

Bücher wie „Ebbe und Blut“ von Eva Wünsch und Luisa Stömer und „Periode ist politisch“ von Franka Frei befassen sich mit der Thematik und klären auf. All diese Eindrücke und persönlichen Erfahrungen fließen bei der Stückentwicklung zusammen. Wenn Dannenberg Menstruationsschmerzen und Unterleibskrämpfe körperlich erlebt, speichert sie ihre Empfindungen ab und reinszeniert diese akrobatisch am Chinesischen Mast. Direkt auf der Bühne erprobt sie die Bewegungen und fordert ihren Körper extrem heraus. Atemberaubend und spektakulär wirkt es, wenn sie vier Meter über dem Boden auf der Krone ihres chinesischen Mastes sitzt und ohne Sicherungsseil die Schwerkraft ignoriert.

Gehalten wird die Stange an vier Abspannpunkten, die um massive Steine gesponnen sind. 250 Kilogramm wiegt jede der Stationen, aber die lange und dünne Stange wirkt, als ob sie trotzdem jeden Moment kippen könnte und die Tänzerin in die Tiefe hinabstürzen lassen würde.

Es ist diese magische Zirkusspannung und das Nicht-Hingucken-können, das beim Tanz am Chinesischen Mast die Zuschauenden fesselt. Bei ihren Proben improvisiert Dannenberg, ihre Gesichtszüge sind schmerzvoll verzogen und das Klettern gleicht einem Kampf. Dannenberg arbeitet sich Stück für Stück an der Stange ab, während sie sich langsam emporzieht und immer wieder kontrolliert den Halt verliert, herabrutscht und kurz über dem Boden stehen bleibt. Sie zeigt den körperlichen Schmerz der Unterleibskrämpfe, wirkt verletzlich und unglaublich kraftvoll zugleich. Jeder Muskel ist angespannt und ihre würdevolle Körperbeherrschung ist faszinierend. Immer wieder wird sie in den nächsten Wochen an den Mast zurückkehren und das Stück weiterentwickeln.

Dass sie in den Flottmann-Hallen proben kann und vor Ort alle darüber informiert sind, wie ein Chinesischer Mast aufgebaut wird, ist ein großes Glück, denn das wissen noch nicht viele Theater- und Bühnenarbeiter*innen. Die Bekanntheit dieser Kunstform steigt aber immer weiter, und auch der Fankreis wächst.

Text
Laura Dresch
Fotos
Markus J. Feger

Vita von Sabeth Dannenberg

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